Kategorien
Allgemein Donna Lylittha

Spielsucht – von Donna Lyllitha

Wie lange dauert die Fahrt mit der Rhein-Haardt-Bahn von Ludwigshafen nach Bad Dürkheim, wenn man endlich nach vielen Tagen des Experimentierens das todsichere System ausgetüftelt hat? Ein System, dass die Fehler der Vergangenheit berücksichtigt und ausgemerzt hat? Das zwar nicht die Bank sprengen wird, aber eine saftige Rendite mit Sicherheit abwirft.


Jede Minute wird zur Qual, jeder Halt und davon gibt es auf dieser Strecke viele zur Tortur. Unruhig rutsche auf dem Plastiksitz und streife mein Theaterkleid zurecht. Neben der Aussicht auf satten Gewinn fasziniert mich an Spielbanken auch das gehobene Ambiente mit dem zwar nicht deutlich ausgesprochenen, aber doch vorhandenen Dresscode. Wobei Bad Dürkheim sicher nicht Baden-Baden oder Wiesbaden ist.


Die letzten 300 Meter von der Endhaltestelle zur Spielbank erscheinen mir wie ein Tagesmarsch mit ungeeignetem Schuhwerk. Die Handtasche umklammert, ein gewisses Grundkapital ist erforderlich um den Plan in die Tat umzusetzen. Schnell sind die Formalitäten erledigt, der Tagesausweis erstellt und die 1000 € in 200 Jetons gewechselt, die jetzt in meiner Handtasche klimpern. Der Spielbetrieb hatte erst begonnen. Nur eine Handvoll rotgesichtige Rentner in zertragenen Anzügen, schlecht gebundenen Krawatten aus den 70igern säumen den einzigen geöffneten Tisch. Es ist noch Zeit für ein Tasse Kaffee. Zur Beobachtung des Spielverlaufs, des Croupiers, der Zahlen.


Mein System ist so einfach wie gewinnbringend – ich habe es „immer mit der Bank“ getauft. Schon rechne ich im Kopf durch, welche Gewinne mir entgangen sind, weil ich noch nicht spiele. Die frühe Ankunft hat den Vorteil, dass die Auszahlung nicht so viel Zeit in Anspruch nimmt und eine Runde nur etwa 3-5 Minuten dauert, abends sind es 15-20 Minuten.


Nach der Beobachtung von 10 Runden, die sehr erfolgreich für mich gelaufen wären, wenn ich doch gespielt hätte, rechne ich den entgangenen Gewinn aus – die Stimmungslage ist zwischen Verärgerung und Vorfreude.
Mein System funktioniert also.


Der Zeitpunkt ist gekommen um einzusteigen. Ich spüre die Veränderung, meine Hände werden feucht, der Hals trocken, der Atem geht schneller. Erst als ich den ersten Jeton platziert habe, auf „Rot“, so ist der Plan, tritt Ruhe bei mir ein.
Ich streiche meinen Gewinn ein. Wichtig ist es, gleich zu Beginn im Plus zu sein. Auch wenn es nur 5 € sind, es ist der Gegenwert von zwei Broten. So rational kann ich noch denken. Erneut Rot. Erneut Gewinn. Ich empfinde keine Freude, aber eine ruhige Gewissheit. Ich setze solange Rot bis Schwarz kommt. Verdoppele den Einsatz. Gewinne. Natürlich. Es geht so weiter, ich vergesse die Zeit. Nach vier Stunden habe ich mein Ziel erreicht. 500 € sind nicht schlecht für 4 Stunden Arbeit. Es ist kein Spiel.


Jetzt aufhören können. Ich kann es. Dieses Mal.

Fortsetzung folgt.